DER GENUSS-BLOG
Folgen Sie dem Insider-Wissen von Tina Hauser,
der ersten Gewürz-Sommelière in der Schweiz!
anders kombiniert:
Peperoni
Wenn ich mir die leuchtend rote Peperoni anschaue, wie sie so einzigartig geformt in meiner Hand liegt, scheint es mir als ungenügend, sie ausschliesslich als Dip-Gemüse zu behandeln, das in schmale Tranchen geschnitten, kopfüber in eine Ajoli getaucht wird. Es würde dem roten, grünen, gelben und orangefarbenem Gemüse nicht gerecht – denn schliesslich möchte jeder von seiner besten Seite wahrgenommen werden.
Das Gemüse, das zur botanischen Familie Capsicum gehört, besticht durch seinen knackigen Charakter und seine leichte Säure, die von hohem Vitamin-C-Gehalt zeugt. Trotz der intensiven Farbenvielfalt bleibt das Geschmacksbild im rohen Zustand eher monoton. Die Geschmacksnuancen sind obgleich der grossen farblichen Unterschiede derart fein, dass ich mich sogar frage, ob sie lediglich eine Einbildung sind und die intensiven Fruchtfarben, gebildet von Carotinoiden, mich in die Irre führen. Der Blindtest zeigt, dass die rote Peperoni effektiv leicht süsser schmeckt als die grüne. Die Erklärung ist einfach: Die grüne ist noch nicht reif und konnte während der kürzeren Reifezeit weniger Zucker bilden als die rote Peperoni.
Die Peperoni ist sehr beliebt in der Küche des Balkans. Dies führt bei mir dazu, dass ich sofort mein geliebtes Musikstück «Disko Partizani» von Shantel auflegen muss und nun, weiter im Takt, Peperoni-Tranchen schneide. Ich kann Ihnen sagen, das ist ganz schön schnell! Und noch während ich den Tisch ganz im balkanischen Musik-Rhythmus von den Überresten der Peperoni befreie, ist das Gemüse bereits in der Pfanne gedämpft. Zwar ging während des Dampfbades der hohe Vitamin-C-Gehalt etwas verloren, geschmacklich hingegen präsentiert sich mir aber ein ganz anderes Gemüse. Mir schweben nicht mehr klar-grüne Duftmoleküle entgegen, wie beim Aufschneiden der Fruchtkörper zuvor, sondern eine angenehm fruchtige Note. Die gegarte Variante macht mit seiner wunderbare Süsse auf sich aufmerksam. Die Säure, die geschmacklich an die eines Apfels erinnert, im Wechselspiel mit der nun deutlichen Süsse, macht dieses Nachtschattengewächs sensorisch interessant.
Die Balkanküche verwendet die Peperoni, die ihren Namen ursprünglich vom Namen «Piper», sprich Pfeffer erhalten hat, unter anderem auch in Form eines Paprika-Mus. Ich verwende die Paprika in einer puristischen Form, lediglich mit etwas Salz und: Rose!
Rose
Gibt es etwas Kitschigeres und Betörenderes, als den Duft einer Rose?
Noch heute sehe ich vor meinem geistigen Auge den Schiessbuden-Wagen, der bei uns im Dorf während der Chilbi Halt gemacht hatte. Bei diesem hielt ich mich gerne auf, um meine Schiesskünste zu erproben. Den grossen Plüschbären liess mein Taschengeld nicht zu, doch reichte es für die rosafarbenen Rosen aus Plastik. Diese habe ich mir dann «erschossen» und stolz nach Hause getragen. Der Nachteil war, dass diese immerblühenden Plastikrosen absolut nach ebenjenem Plastik rochen. Den uns allen bekannten betörenden Duft verströmt alleine die Duftrose der Gattung Rosaceae. Diese Duftmoleküle, unter anderem das Geraniol, verduften jedoch ebenso schnell wie die Blütenblätter ihre Frische verlieren, wenn sie als Schnittblumen in der Vase stehen.
So halte ich mir das Fläschchen Rosenwasser aus dem türkischen Laden unter die Nase und atme den Duft dieser besonderen Blume ein. Rosenwasser ist ein Nebenprodukt, welches bei der Destillation des wertvollen Rosenöls aus Rosenblüten gewonnen wird. Fein dosiert findet es vorwiegend in der orientalischen, nordafrikanischen, indischen und in der balkanischen Küche Anwendung.
Ich erlaube mir nun eine etwas gewagte Kombination dieser zwei Zutaten.
Tina Hausers Geschmackswahrnehmungen:
Peperoni rot
Rose
Die fünf wissenschaftlich gesicherten Geschmacksrichtungen sind süss, salzig, bitter, sauer, umami. Als weitere Geschmacksrichtungen können fettig und wässrig gelten. Diese sind jedoch noch nicht wissenschaftlich gesichert. Die Geschmacksrichtungen werden von den Papillen auf der Zunge wahrgenommen.
Die Empfindungen Schärfe, Hitze, Kälte, aktivieren den Trigeminus-Nerv und gelten nicht als Geschmacksrichtungen, sondern sind vielmehr Auslöser eines Schmerzreizes. Diese Reize sind wichtige Komponenten beim Gestalten von Speisen. Adstringenz reizt ebenfalls den Trigeminus-Nerv und bewirkt ein ziehendes Gefühl auf der Zunge.
Tina Hausers orthonasal und retronasale Wahrnehmung:
Peperoni rot
Rose
Jeder Duft, der Ihnen in die Nase steigt, ist eine orthonasale Wahrnehmung, die von den Riechzellen «entschlüsselt» wird. Ebenfalls werden die Riechzellen durch die frei gesetzten Aromen aktiviert. Durch das Zerkauen der Speisen werden Duftstoffe frei gesetzt, die retronasal über den Rachenraum zu den Riechzellen aufsteigen.
Gemüsekaviar – Ajvar mit Rose
Die rote Peperoni halbiere ich und entferne den Strunk sowie die im Fruchtkörper enthaltene Saat. Die Gemüsehälften schneide ich in Streifen und dämpfe diese mit ein wenig Wasser in einer Pfanne mit geschlossenem Deckel, bis sie gar sind. Die ausgekühlten Peperonistreifen zerkleinere ich mit meinem japanischen Damaszener-Messer in kleinste Stücke, salze diese mit meinem bevorzugten Clifford-Bay-Salz und gebe einige Tropfen Rosenwasser hinzu.
Diesen Gemüsekaviar serviere ich mit frisch in etwas Olivenöl gerösteten Crevetten.
Ganz einfach – anders kombiniert!
Viel Spass beim Ausprobieren!
Ihre Tina Hauser
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