DER GENUSS-BLOG
Folgen Sie dem Insider-Wissen von Tina Hauser,
der ersten Gewürz-Sommelière in der Schweiz!
anders kombiniert:
Quitte
Direkt aus dem Paradiesli habe ich eine Quitte vom Baum gepflückt. Das milde Klima in Betlis am Walensee lässt die Früchte gross und prall werden. Schwer und hellgelb leuchtend hing sie vom Ast des stattlichen Baumes. Wie es sich für ein Paradies gehört, schlug daneben sogar ein Pfau, der gegenüber des Landgasthofs zu Hause ist, mit seiner Federpracht ein Rad. Ich konnte also nicht widerstehen.
Jetzt halte ich die Quitte in Händen, die noch mit leichtem Flaum überzogen ist. Dieser wirkt als natürlicher, sehr effizienter Schutz. Früher wurde die Frucht deshalb auch «Baumwollapfel» genannt.
Die Quitte gibt seine Qualitäten nicht einfach so preis wie Apfel und Birne. Diese Obstsorten, die direkt verspeist werden können, verdrängten so die Quitte von unseren Tellern.
Mit einem Tuch poliere ich die gelbe Schale der Wunderfrucht bis sie glänzt und schnuppere daran. Eindeutig, so muss Nektar riechen.
Chili
Kaixo Gorria! Sie sprechen Baskisch? Nicht? Mir wurde mehrfach klar, dass Baskisch unglaublich schwierig zu erlernen ist. Beginnen wir einfach mit dem wichtigsten Wort: Kaixo heisst Hallo und kann Türen öffnen. Besonders, wenn man mehr über Gorria – die Rote auf Baskisch – erfahren möchte. Gorria stammt aus der Familie der Capsicum annuum und wird im und um das baskische Dorf Espelette im Südwesten Frankreichs angebaut. Wenn man zur Erntezeit vor Ort ist kann man die frisch geernteten Chilischoten bewundern, die – leuchtend rot – auf einer Schnur zum Trocknen aufgezogen wurden. Sie sind mit dem mit dem AOC-Siegel (Appellation d’Origine Contrôlée) ausgezeichnet, dem Schutzsiegel für landwirtschaftliche Produkte aus Frankreich und der Schweiz.
Die Schärfe dieser Piment d’Espelette genannten Chili-Sorte wird zwischen 1500 und 2500 Scoville eingestuft. Im Vergleich zu den immer weiter ansteigenden Scoville-Werten von Neuzüchtungen – die Sorte Pepper X wartet zum Beispiel mit 3.18 Millionen Scoville auf – mutet die Chilischote aus dem Baskenland brav wie eine Salatgurke an. Doch wer ein typisches baskisches Gericht wie Axoa geniesst – ein Kalbsvoressen mit reichlich Piment d’Espelette – wischt sich diskret die Schweissperlen von der Stirn und weiss auch diese im Gericht vorhandenen Scovilles zu schätzen.
Und was ist nun Scoville? Die Methode wurde von Wilbur Scoville entwickelt und ist ein sensorisches Testverfahren. Die Scoville-Anzahl bezeichnet den Grad der Verdünnung von Capsaicin, der nötig ist um keine Schärfe mehr feststellen zu können.
Capsaicin ist das in Chili enthaltene Alkaloid, welches unsere Nervenenden in den Schleimhäuten reizt und eine Schmerzempfindung auslöst. Für reines Capsaicin würde dies eine 16-millionenfache Verdünnung bedeuten!
Tina Hausers Geschmackswahrnehmungen:
Quitte
Chili (Piment d’Espelette)
Die fünf wissenschaftlich gesicherten Geschmacksrichtungen sind süss, salzig, bitter, sauer, umami. Als weitere Geschmacksrichtungen können fettig und wässrig gelten. Diese sind jedoch noch nicht wissenschaftlich gesichert. Die Geschmacksrichtungen werden von den Papillen auf der Zunge wahrgenommen.
Die Empfindungen Schärfe, Hitze, Kälte, aktivieren den Trigeminus-Nerv und gelten nicht als Geschmacksrichtungen, sondern sind vielmehr Auslöser eines Schmerzreizes. Diese Reize sind wichtige Komponenten beim Gestalten von Speisen. Adstringenz reizt ebenfalls den Trigeminus-Nerv und bewirkt ein ziehendes Gefühl auf der Zunge.
Tina Hausers orthonasal und retronasale Wahrnehmung:
Quitte
Chili (Piment d’Espelette)
Jeder Duft, der Ihnen in die Nase steigt, ist eine orthonasale Wahrnehmung, die von den Riechzellen «entschlüsselt» wird. Ebenfalls werden die Riechzellen durch die frei gesetzten Aromen aktiviert. Durch das Zerkauen der Speisen werden Duftstoffe frei gesetzt, die retronasal über den Rachenraum zu den Riechzellen aufsteigen.
Die Apfelquitte ist holzig hart und oxidiert nach dem Aufschneiden rasch. Nach dem Schälen und Entfernen des Kerngehäuses, lege ich sie deshalb gleich in Zitronenwasser. Dessen abgesenkte PH-Wert verringert eine Braunfärbung.
Nachdem die Quitte (350g) in 1cm grosse gleichmässige Würfel geschnitten ist, blanchiere ich diese im Zitronenwasser für 4 Minuten. Caramelduft steigt bereits in die Nase, ohne dass ein Anrösten von Zucker der Fall war und dadurch ein Reaktionsaroma entstanden wäre.
Zwei Esslöffel des abgefangenen Blanchierwassers – dessen Rest ich später eisgekühlt als Quitten-Zitronen-Limonade geniesse – vermenge ich mit 30g Quittengelée und 1g Himalaya-Salz und mische dies unter die Quittenwürfel. Um eine unterschiedliche Bissstruktur des salzig-pikanten Fruchtsalates zu erzielen, schäle ich einen Apfel, entferne das Kerngehäuse und schneide ihn ebenfalls in 1cm grosse Würfel. Den Apfel vermenge ich mit den marinierten Quittenwürfeln. Eine halbe frische Chilischote (ca. 2g) zerschneide ich fein. Wer es scharf mag, belässt die Samen im Inneren der Schote und verarbeitet diese mit.
Überraschen Sie mit dem salzig-scharfen Fruchtsalat! Die frische Säure der Früchte mit der leichten Caramelnote der Quitte und der belebenden Schärfe des Chilis passt zu herbem Fleisch, Hartkäse oder zu Sorbet als Dessert. Ganz wie Sie mögen.
Ganz einfach – anders kombiniert!
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Ihre Tina Hauser
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