DER GENUSS-BLOG
Folgen Sie dem Insider-Wissen von Tina Hauser,
der ersten Gewürz-Sommelière in der Schweiz!
anders kombiniert:
Steinpilz
Jetzt schiessen sie aus der feuchten Erde: die Steinpilze. Sie werden in atemberaubend kurzer Zeit gross und prall – wenn sie Glück haben. Denn die Schnecken schalten zwischen August und September in Rennmodus und sind schnell zur Stelle, um diese Spezialität aus unseren Wäldern zu verspeisen.
Eine liebe Freundin war schneller als die Schnecken. Sie steht vor meiner Ateliertür und streckt mir mit leuchtenden Augen einen Baumwollbeutel entgegen, der Geheimnisvolles in sich birgt. Ich greife in das Dunkel des Beutels hinein und werde mit einem grossen, schweren Steinpilz überrascht. Dieses Prachtexemplar wird gleich in der Küche zubereitet.
Die Erde am Stiel wird etwas abgepinselt, der Pilz mit einem Tuch leicht abgerieben, dann landen die geschnittenen Steinpilztranchen sogleich mit etwas Butter in der Bratpfanne. Serviert auf einem getoasteten Weissbrot: Glück auf Erden!
Die übrigen Steinpilze trockne ich sorgfältig im Dörrautomaten.
Frischer Steinpilz und getrockneter Steinpilz, beide nehme ich als zwei gänzlich eigenständige Ingredienzien wahr. Getrocknete Zutaten sind in ihren geschmacklichen Eigenschaften aufgrund des entzogenen Wassers konzentrierter. Die enthaltene Glutaminsäure wirkt als natürlicher Geschmacksverstärker und umspielt die Zungenrezeptoren, welche die Geschmacksempfindung Umami auslösen. Aus diesem Grund ist der Einsatz von getrockneten Pilzen ein guter Weg, den Geschmack der Speisen zu intensivieren.
Caramel
Caramelisieren ist eines der Zaubermittel bei der Zubereitung von Speisen. Bei der Krustenbildung von Brot, beim scharfen Anbraten von Fleisch sowie beim Sautieren von Gemüse geht es immer um die Bildung von Reaktionsaromen.
Sie kennen das Bild: das Backblech verbrannt, die Oberfläche wie mit braunschwarzem Lack überzogen und die Küche voller Qualm. Dies wäre der missglückte Versuch, Caramel herzustellen. Entstanden ist dabei Zuckercouleur mit hohem Bitterstoffanteil, der für die Braunfärbung in Lebensmitteln verwendet wird.
Erfolgreich gelingt der Versuch, Kristallzucker (Saccharose) in bernsteinfarbenen, harten Caramel zu verwandeln, mittels ungebrochener Aufmerksamkeit und 155°C Hitze im Ofen. Damit sich ein angenehmer Caramelduft im Raum verbreitet, muss der Kristallzucker, der zuvor auf dem mit Backpapier ausgelegten Backblech verteilt wurde, zum richtigen Zeitpunkt wieder aus dem Ofen gezogen werden. Die nach dem Erkalten entstehende Zuckerplatte lässt sich dann in die bereits erwähnten bernsteinfarbenen, lichtdurchscheinenden Stücke brechen.
Tina Hausers Geschmackswahrnehmungen:
Steinpilz
Caramel
Die fünf wissenschaftlich gesicherten Geschmacksrichtungen sind süss, salzig, bitter, sauer, umami. Als weitere Geschmacksrichtungen können fettig und wässrig gelten. Diese sind jedoch noch nicht wissenschaftlich gesichert. Die Geschmacksrichtungen werden von den Papillen auf der Zunge wahrgenommen.
Die Empfindungen Schärfe, Hitze, Kälte, aktivieren den Trigeminus-Nerv und gelten nicht als Geschmacksrichtungen, sondern sind vielmehr Auslöser eines Schmerzreizes. Diese Reize sind wichtige Komponenten beim Gestalten von Speisen. Adstringenz reizt ebenfalls den Trigeminus-Nerv und bewirkt ein ziehendes Gefühl auf der Zunge.
Tina Hausers orthonasal und retronasale Wahrnehmung:
Steinpilz
Caramel
Jeder Duft, der Ihnen in die Nase steigt, ist eine orthonasale Wahrnehmung, die von den Riechzellen «entschlüsselt» wird. Ebenfalls werden die Riechzellen durch die frei gesetzten Aromen aktiviert. Durch das Zerkauen der Speisen werden Duftstoffe frei gesetzt, die retronasal über den Rachenraum zu den Riechzellen aufsteigen.
Um die konzentrierte geschmackliche Eigenschaft der getrockneten Steinpilze bewahren zu können, weiche ich die getrockneten Tranchen nicht ein, sondern schneide sie in kleine Würfelchen, einer Gemüse-Julienne gleich. Das Caramel zerkleinere ich in vergleichbarer Menge in ähnlich kleine Stücke. Die Pilzwürfelchen gebe ich zu halbiertem Chicorée, welchen ich in Butter dämpfe. Kurz vor dem Servieren streue ich schliesslich die Caramelstückchen über das gedämpfte Gemüse.
Verwenden Sie diese Geschmackskombination immer dann, wenn Sie die Intensivierung des Geschmacks einer Speise erzielen möchten.
Ganz einfach – anders kombiniert!
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Ihre Tina Hauser
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